10. Kulturspaziergang 2004

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Tilly in Ricklingen

Freizeitheim RicklingenSeit 6 Jahren führen wir im Stadtbezirk Ricklingen Kulturspaziergänge durch und möchten damit die kulturelle Vielfalt des Stadtteils zeigen. Theatergruppen, Schulklassen, Vereine und Institutionen aus dem Stadtbezirk beteiligen sich an unseren Projekten. Im Sommer 2004 soll der 10. Kulturspaziergang stattfinden und auf vielfachen Wunsch unserer Besucher und Besucherrinnen wird es wieder ein geschichtliches Thema geben. Wir haben uns für Tilly entschieden, der im Herbst 1625 mit seinen Truppen vor Hannover lagerte und sein Hauptquartier im Ricklinger Wrampenhof hatte. Es soll ein großes Spektakel für Alt und Jung werden, als Spielort haben wir die malerische Edelhofkapelle gewählt.

Zur Geschichte:
Herbst 1625, Tillys Heer bereitet das Winterlager zwischen Hildesheim und Hannover vor, sein Hauptquartier hat Tilly auf dem Wrampenhof. Seine Truppen leiden unter der Pest (von 18.000 Mann sind 8000 erkrankt) und unter Verpflegungsmangel. Die hungrigen Soldaten meutern und desertieren. Wallenstein versagt ihm jegliche Hilfe, wirbt sogar Soldaten mit höherem Sold ab. Selbst Pappenheim erwägt mit seinem Regiment Kürassiere den Wechsel zu Wallenstein. Tilly fehlt es an allem: Geld, Ausrüstung und Proviant. Tilly schrieb, er habe in seinem ganzen Leben "khein armada gesehen, deren alle nothwendige requisita von größerstem biß zum geringsten auf einmal totaliter abgehen, sintemal khein Artigleria-Pferd, khein einzig Officierer, kheine Stückhe, so zu gebrauchen, khein Pulver, Kugeln, Hackhen und Schauffeln, khein geldt noch Proviandt vorhanden".

Im Oktober kommt es bei Seelze zu einer mörderischen Schlacht zwischen den kaiserlichen Truppen unter Tilly und dem dänischem Heer unter Leitung von Generalleutnant Obentraut (Deutscher Michel). Tilly erringt einen Überraschungssieg, Obentraut wird dabei tödlich verwundet. (Der Sage nach soll Obentraut im Schlaf überrascht worden sein und nur mit Stiefeln, Schlafrock und Zipfelmütze bekleidet, in das Schlachtgeschehen eingegriffen haben.)
"Bei Seelze liegen die Felder brach
Und kennen nicht Sense noch Sichel
Bei Seelze liegt im brachen Feld
Todwund der Deutsche Michel"
(Freiherr von Münchhausen)

Obentraut wird schwer verwundet zu Tilly gebracht, der seinen Feldscheren den Auftrag gab, ihn zu retten. Dabei sollen die inhaltsschweren Worte "Denk an das Reich, Tilly, an das Reich!" gefallen sein. Obentraut stirbt am 25. Oktober und wird in Marktkirche bestattet. "Hanß Michell von Obentraut von May zu December General Leutenandt über die Cavellery V, Oberst, welcher ist Ao 1625 den 25 8bris vor Seelze geblieben ... in S. Georgen Kirche uffs Chor begraben."
(Hann. Kirchenbuch)

Nach der Schlacht bei Seelze, versuchte Tilly auch Hannover zu erobern, er musste sich aber hinter das Ricklinger Holz zurückziehen. Um das Herr zu versorgen mussten die Bauern im Calenberger Land große Opfer bringen, viele gaben ihre Höfe auf. (Ricklingen war wüst und leer)

Zur Person "Tilly, Johann Tserclaes" (1559 - 1632)
Der Reichsgraf von Tilly wurde im Februar des Jahres 1559 auf dem elterlichen Schloß Tilly in Brabant geboren. Seit dem Jahre 1610 reorganisierte er das bayerische Heer, mit dem er, nach Ausbruch des dreißigjährigen Krieges 1618, am 8. November 1620 die Schlacht am Weißen Berge bei Prag für sich entschied. Hernach eroberte er das Rheinland und besiegte die Führer der protestantischen Heere am 6. Mai 1622 bei Wimpfen, am 20. Juni 1622 bei Höchst und am 6. August 1623 bei Stadtlohn. Wegen dieser Erfolge wurde ihm noch im selben Jahr der Titel des Reichsgrafen verliehen.

Tilly war Oberbefehlshaber der katholischen Liga-Truppen im Dienste des Kurfürsten von Bayern. Nach der Absetzung Wallensteins auf dem Reichstag in Regensburg im Jahre 1630, war Tilly bis zu seinem Tode auch Oberkommandierender des kaiserlichen Heeres.
Neben Wallenstein und Gustav Adolf gilt Tilly als der bedeutendste militärische Führer des 30jährigen Krieges. Im Gegensatz zu Wallenstein war Tilly ohne politischen Ehrgeiz und aufgrund seiner religiösen Erziehung für seine Person bedürfnislos. Gustav Adolf nannte ihn wegen seiner Strenge und Pünktlichkeit "den alten Corporal". Im Volksmund wurde er in Anspielung auf seine Ausbildung als Jesuit und seine asketische Lebensweise "der geharnischte Mönch" genannt. Tilly schlug für Kaiser und Kurfürst 38 Schlachten, von denen er nur zwei verlor. Tilly starb an den Folgen einer Verwundung im dreiundsiebzigsten Lebensjahr am 23. April 1632 in Ingolstadt.

Tilly sah sich allein schon durch seine Erziehung bei den Jesuiten mit Kaiser Ferdinand II. und dem Bayernherzog Maximilian verbunden. Diese Erziehung scheint Tilly in mehrfacher Hinsicht geprägt zu haben. Aus ihm wurde ein Mensch mit fast übertriebener Selbstdisziplin, der nie auf den Gedanken gekommen wäre, andere Befehle als die seines Herzogs oder die des Kaisers auszuführen. Eigenmächtigkeiten wie sie Wallenstein ungefragt durchsetzte, Risiken wie sie Pappenheim einging oder die Hinterlist eines Piccolomini waren ihm fremd.

Trotz seiner 36 Siege in großen Feldschlachten und der Besetzung und anschließender finanzieller Erpressung oder Plünderung zahlreicher Städte, hätte Tilly nie die Geldmittel bereitstellen können, die Wallenstein dem Kaiser wiederholt zur Aufstellung eines neuen Heeres vorschoss. Im Gegensatz zum politisch ambitionierten Strategen Wallenstein war Tilly ein ausgezeichneter militärischer Taktiker. Aber kein Ökonom. Er konnte seine erpreßten Gelder nicht - wie Wallenstein - durch kluges Wirtschaften oder gerissene Spekulationen vermehren.

Tilly trank nicht, schlief (so hieß es) mit keiner Frau und betete (wie übrigens auch sein großer Widersacher, der Schwedenkönig Gustav Adolf) vor jeder Schlacht. Beide waren davon überzeugt, Gott auf ihrer Seite zu haben.

Diese widersprüchliche Frömmelei zwischen militärischer Praxis und moralischem Anspruch machte Tilly bei seinen Soldaten nicht gerade beliebt. Die Landsknechte konnten vielleicht noch einsehen, dass an den Abenden vor einer Schlacht die Marketenderwagen mit ihren Alkoholvorräten rechtzeitig durch Absperrseile in verbotene Zonen verwandelt und streng bewacht wurden, um den Ausschank zu unterbinden. Wurde ein Landsknecht beim heimlichen Trinken oder Anzapfen der Branntweinfässer erwischt, hängte man ihn auf. Aber dass Tilly ein geschworener Feind jeden Glücksspiels war, verzieh man ihm nie. Allen Drohungen zum Trotz wurde gewürfelt und Karten gespielt. Obwohl sich herumgesprochen hatte, dass Tilly seine Autorität auch mit drakonischen Mitteln durchsetzte: so ließ er ein wegen überfälliger Soldzahlungen meuterndes Dragonerregiment nach altrömischer Art dezimieren. Jeder zehnte Soldat musste heraustreten und wurde erschossen. Solches Vorgehen dämpfte einige Zeit meuternde Gelüste - oder gab den letzten Anstoß zum Überlaufen in gegnerische Armeen.
(aus: Wer war wer im dreißigjährigen Krieg, Dr. Klaus Koniarek)

Hartmut Herbst
Freizeitheim Ricklingen

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Hagen Jung schrieb am 19.April.2004 - 18:07:33:
„Interessante Informationen zu Tilly! Ich darf eine kleine Ergänzung hinzufügen: Tilly höchstpersönlich - jedenfalls seine Gebeine - sind immer noch zu sehen: Er ruht im bayerischen Wallfahrtsort Altötting.“...mehr

Hettwer/Nöthel 2004