Fidele Dörp: Musik in St. Augustinus

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Gebremstes Jubelfest - aber gehaltvoll

Von Wolf-Dieter Rennecke

Außergewöhnliche Ereignisse erfordern außergewöhnliche Vorkehrungen. Dass diese Corona-bedingt Einschränkungen bedeuten, hätte sich die Gemeinde St. Augustinus in Hannover-Ricklingen zur Feier ihres neunzigjährigen Bestehens wahrlich nicht gewünscht: Die Teilnehmerzahl war begrenzt; so manches Gemeindemitglied hat das vermutlich abgeschreckt, sich anzumelden. Dabei waren die Veranstaltungen mit viel Engagement vorbereitet und von hoher Qualität.

Illuminierte St. Augustinus-Kirche (Foto: Thilo Wendel)
Illuminierte St. Augustinus-Kirche

Nach einem Jubiläumsgottesdienst und einem Festvortrag zur Geschichte der Gemeinde fand die Festwoche am 4. September ihren krönenden Abschluss mit einer Orgelvesper. Winfried Dahn, Organist an St. Augustinus und Organisator der Reihe „Musik in St. Augustinus“, hatte den Organisten und Dekanatskantor in Stuttgart-Zuffenhausen und Komponisten Alexander Kuhlo (49) gewonnen.

Winfried Dahn (Foto: Thilo Wendel)
Winfried Dahn

In Hannover und insbesondere in Ricklingen ist Kuhlo kein Unbekannter. Studiert hat er an unserer Hochschule für Musik, Theater und Medien und vor 25 Jahren an der Lobback-Orgel von St. Augustinus sein Examen mit Prädikat abgelegt. In den 90er Jahren war er Kantor an der Ricklinger Michaelis-Kirche.

Alexander Kuhlo am Spieltisch der Lobback-Orgel, im Hintergrund Alexander Osovitskiy (Foto: Thilo Wendel)
Alexander Kuhlo am Spieltisch der Lobback-Orgel, im Hintergrund Alexander Osovitskiy

Eine Orgelvesper ist kein Konzert, sondern ein besonders gestalteter Gottesdienst. Die liturgische Leitung hatte Pastor Christoph Müller, Winfried Dahn rezitierte „Alles hat seine Zeit“ von Herbert A. Gornik, und Oliver Nöthel übertrug per Video das Orgelspiel auf eine große Leinwand, so dass die Zuhörenden gleichzeitig Zuschauer waren und mitverfolgen konnten, wie der Klang durch das Spiel auf den Manualen und auf dem Pedal zustande kam. Ein faszinierendes Mitgehen, das den Musikgenuss erhöhte.

Pastor Christoph Müller (Foto: Thilo Wendel)
Pastor Christoph Müller

Vor Beginn der Vesper wurden Bilder aus der 90jährigen Geschichte der Gemeinde präsentiert, die Christian Weske gekonnt zusammengestellt hatte. Die Illumination der Kirche lag wie immer in den bewährten Händen des Gemeindemitglieds Christopher Mock.

Winfried Dahn begrüßte unter den Gästen besonders das Ehepaar von Klitzing, das mit einer Spende aus der Edelhof-Stiftung dieses Ereignis gesponsert hatte, und Landessuperintendent i.R. Dieter Zinßer als Garant der Ökumene.

Ehepaar von Klitzing - Stiftung Edelhof Ricklingen (Foto: Thilo Wendel)
Ehepaar von Klitzing - Stiftung Edelhof Ricklingen

Alexander Kuhlo eröffnete sein Spiel mit der grandiosen Dorischen Toccata von Johann Sebastian Bach (1685-1750). An diese Toccata knüpft das Präambulum in E-Dur von Vincent Lübeck (1654-1740) an, aber im Gegensatz zu Bach eher norddeutsch zurückhaltend.

Und dann eine Uraufführung: Alexander Kuhlo hatte eine Hommage an seinen geschätzten Lehrer Prof. Siegfried Strohbach (1929-2019) komponiert, ein „Scherzo“ für Orgel mit verschiedenen Stilelementen, zarten Dissonanzen, flotten Läufen und ruhigen Sequenzen rund um das Lied „So nimm denn meine Hände“. Strohbach wirkte in Hannover als Tonsatzprofessor, Komponist, Musiklehrer und Chorleiter.

Die Fürbitten im Gottesdienst, gesprochen von Pastor Müller, sprachen wohl etlichen Zuhörenden aus der Seele, die sich eine zeitgemäße Kirche wünschen, die Neues zulässt und Einheit anstrebt, nicht Einheitlichkeit.

Mit dem 2. Satz (Largo) aus der 9. Sinfonie von Antonin Dvorák (1841-1904) „Aus der Neuen Welt“ in einer Orgelbearbeitung spielte Kuhlo die spezifischen Möglichkeiten der Lobback-Orgel aus: ein Stück zum Dahinschwelgen in den zarten Farben dieser Orgel.

Am Schluss brillierte Kuhlo mit der an Bach geschulten, gewaltigen Choralfantasie „Ein feste Burg ist unser Gott“, ein urevangelisches Stück nach Martin Luther, komponiert von Max Reger (1873-1916). Mögen sich „strenge“ Katholiken zumindest darüber gewundert haben, so ist die Auswahl dieses spätromantischen Werkes ein musikalisches Symbol für die gelebte Ökumene in Ricklingen.

Dekanatskantor Alexander Kuhlo (Foto: Thilo Wendel)
Dekanatskantor Alexander Kuhlo

Zum Schluss gab es verdiente, langanhaltende, stehende Ovationen für den Organisten. Im Namen der Gemeinde bedankte sich der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Herbert Stürwold bei allen, die dieses begeisternde Ereignis ermöglicht und realisiert hatten. Alexander Kuhlo revanchierte sich mit J.S. Bachs „Air“ in D-Dur in einer Orgelbearbeitung, was wiederum mit verdientem Beifall bedacht wurde.

KV-Vorsitzender Herbert Stürwold (Foto: Thilo Wendel)
KV-Vorsitzender Herbert Stürwold

Wolf-Dieter Rennecke

„Musik in St. Augustinus“ - Alle Artikel im 31. Jahrgang